15. Oktober 2021

Abrissreif oder noch sanierbar? (Teil 2)

Im zweiten Teil der Tagung kamen Stimmen aus Politik, Theologie und Wirtschaft zu Wort. Die Bundestagsabgeordnete Steffi Lemke, Parlamentarische Geschäftsführerin und Naturschutzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hob die Wirkung der Enzyklika von Papst Franziskus auf den Pariser Klimagipfel 2015 hervor. Sie nimmt jedoch seit dieser Zeit eher eine „zurücklehnende Haltung“ beim Klimaschutz wahr. Es sei zwar einiges in Gang gekommen, aber bei weitem zu wenig. Die Menschheit – auch die Politik in Deutschland – befinde sich auf einem „Mittelweg“, der laut Papst Franziskus ins Verderben führe.

Der Theologe Professor Dietrich Werner, Grundsatzreferent für Theologie und Ökumene bei der evangelischen Hilfsorganisation Brot für die Welt, beleuchtete die Reaktionen auf die Enzyklika „Laudato si‘“ in der weltweiten Ökumene. Seinem Eindruck nach sei sie ein „extrem wichtiger Beitrag zu einer theologischen Begründung einer ganzheitlichen Ökologie“. Sie sei in erster Linie nicht eine politische, sondern eine spirituelle Schrift und habe innerhalb der Katholischen Kirche, aber auch im Raum der evangelischen Kirchen und der Orthodoxie große Resonanz erfahren.

Die Perspektive der Wirtschaft brachte Dr. Florian Reißmann in die Tagung ein, Geschäftsführer der Landesgruppe Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) und Geschäftsführer des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. – Technisch-wissenschaftlicher Verein (DVGW). Reißmann äußerte die Vermutung, dass die Enzyklika des Papstes auch bei vielen Akteurinnen und Akteuren in der Wirtschaft nicht ohne Wirkung geblieben sein dürfte, dies werde aber nicht nach außen kommuniziert. Er schilderte, vor welchen Herausforderungen die Energie- und Wasserwirtschaft durch den Klimawandel stünden und dass der Klimaschutz in der Branche hohe Priorität habe. Er betonte jedoch, dass Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit ebenso wichtige Faktoren seien, ohne die das Ziel der Klimaneutralität nicht erreicht werden könne. Mit Blick auf den Kohleausstieg und die Frage der Arbeitsplätze äußerte sich Reißmann eher optimistisch. Der „Green Deal“ der Europäischen Union sei ein Konjunkturmotor, der auch der regionalen Wirtschaft zugutekommen und hunderttausende Arbeitsplätze schaffen oder sichern werde.